Furcht vor Stagflation
16.04.08 10:20
ABN AMRO
Amsterdam (aktiencheck.de AG) - Weltweit nehmen die Inflationsraten zu, gleichzeitig kühlt sich das Wachstum der Weltwirtschaft ab: Das weckt Erinnerungen an die Stagflation der 70er Jahre, berichtet die ABN AMRO.
Es sei noch gar nicht so lange her, da seien Abgesänge auf die Inflation geschrieben worden. In der neuen globalisierten Welt sei Geldentwertung kein Thema mehr gewesen. Der intensive globale Wettbewerb werde dafür sorgen, dass die Preise auf breiter Basis steigen könnten. Doch die Inflation sei wieder da und sie habe die Bühne durch die Hintertür betreten, nämlich durch steigende Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise.
In vielen Ländern sei die Inflation auf dem höchsten Niveau seit vielen Jahren. Das sei erstaunlich, gehe dieser Anstieg doch mit einer abnehmenden Dynamik der Weltkonjunktur einher. Erinnerungen würden wach an die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, als hohe Inflationsraten und eine stagnierende Wirtschaft zusammengetroffen seien und der Begriff Stagflation geprägt worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei Inflation stets als eine Folgeerscheinung hohen Wachstums gesehen worden.
Tatsächlich würden steigende Rohstoffpreise eine Parallele zwischen der Situation in den 70er Jahren und der Lage der Weltwirtschaft heute darstellen. Aber es gebe auch große Unterschiede. In den 70er Jahren habe die OPEC den Ölpreis als politische Waffe benutzt. Den arabischen Ländern sei es damals gelungen, den Preis für ihr schwarzes Gold schnell und sehr deutlich zu erhöhen. Das habe sich negativ auf die Kaufkraft der Konsumenten in den Industrieländern ausgewirkt. Die Gewerkschaften hätten versucht, diesen Kaufkraftverlust durch Lohnerhöhungen auszugleichen.
Die Notenbanken hätten diese Lohnpolitik alimentiert, indem sie nicht auf die Zinsbremse getreten seien und damit die Geldmenge erhöht hätten. Sie hätten dadurch die Konjunktur nicht abwürgen und einen Job-Abbau verhindern wollen. Das Ergebnis seien hohe Inflationsraten, eine stagnierende Wirtschaft und steigende Arbeitslosigkeit gewesen.
Für die Geldpolitik sollte dies eine Lehre sein: Die Folgen von Veränderungen der relativen Preise könnten nicht durch die Geldpolitik verhindert werden. Inflation sei ein ausschließlich monetäres Phänomen und nur darauf könnten die Notenbanken über die Steuerung der Geldmenge Einfluss nehmen. Der Anstieg der Rohstoffpreise sei jedoch kein monetäres Problem, sondern die Folge realer Veränderungen von Angebot und Nachfrage.
Der kräftige Anstieg der Rohstoffpreise habe große Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Für die Unternehmen bedeute dies steigende Kosten und daher Druck auf die Gewinnmargen, für die Haushalte bedeute es eine Erosion der Reallöhne. Steigende Inflationsraten würden zeigen, dass die Unternehmen in jüngster Vergangenheit einen Teil der steigenden Rohstoffpreise an die Verbraucher hätten weitergeben können. Doch der Spielraum für Preiserhöhungen dürfte insgesamt begrenzt sein. Dafür würden vor allem die umfangreichen Produktionskapazitäten in den Emerging Markets sorgen, die in den letzten Jahren aufgebaut worden seien. Der Wettbewerb sei hoch und das halte die Preisentwicklung unter Kontrolle.
Dafür spreche auch, dass in den asiatischen Emerging Markets die Konsumentenpreise nach Abzug von Nahrung und Energie in den letzten Monaten nur um rund zwei Prozent gestiegen seien. Die asiatischen Emerging Markets würden der Weltwirtschaft disinflationäre Impulse geben. Das gelte vor allem für Länder, die eine schnelle Aufwertung ihrer eigenen Währungen verhindern würden. Die Regierungen würden den Zufluss von Auslandsgeldern bremsen und damit den Aufwertungsdruck vermindern und gleichzeitig den Konsum und damit das Wachstum stimulieren wollen. Längerfristig dürften die Aktienmärkte, die in Asien kräftig eingebrochen seien, von den niedrigen Zinsen profitieren.
Eine Stagflation der Weltwirtschaft würden derzeit viele Ökonomen für unwahrscheinlich halten. Nicht wenige von ihnen würden sogar warnen, dass die steigenden Rohstoffpreise längerfristig eine deflationäre Wirkung entfalten könnten. Schließlich stelle diese Entwicklung in den USA und in Europa eine Belastung für die Privathaushalte dar. Im Gegensatz zu den 70er Jahren sei das Potenzial für Lohnsteigerungen als Ausgleich für den Rohstoffpreisanstieg begrenzt. Zweitrundeneffekte seien damit unwahrscheinlich. Die Globalisierung habe die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer in den Industrieländern und auch die Macht der Gewerkschaften geschwächt.
Die Kombination aus schrumpfender Kaufkraft der Privathaushalte, steigenden Kreditausfällen und restriktiveren Kreditvergaben der Banken seien Belastungsfaktoren, die zu einer deflationären Krise führen könnten. Das erkläre, warum die US-Notenbank auf die Krise im Finanzsystem mit aggressiven Zinssenkungen reagiert habe. Sie sehe die Gefahr einer Schrumpfung der Geldmenge, wie sie in der Weltwirtschaftskrise vor mehr als 75 Jahren stattgefunden habe. Zudem habe Bernanke die US-Regierung gemahnt, dass sie mit fiskalischen Impulsen die Wirtschaft noch breiter stützen könne. Solange die Risikoaversion anhalte, bleibe die Gefahr bestehen, dass sich das Geldmengenwachstum kräftig abschwäche. Doch das habe auch positive Folgen für die Realwirtschaft: Die Inflation dürfte sich zurückbilden.
(16.04.2008/ac/a/m)
Es sei noch gar nicht so lange her, da seien Abgesänge auf die Inflation geschrieben worden. In der neuen globalisierten Welt sei Geldentwertung kein Thema mehr gewesen. Der intensive globale Wettbewerb werde dafür sorgen, dass die Preise auf breiter Basis steigen könnten. Doch die Inflation sei wieder da und sie habe die Bühne durch die Hintertür betreten, nämlich durch steigende Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise.
In vielen Ländern sei die Inflation auf dem höchsten Niveau seit vielen Jahren. Das sei erstaunlich, gehe dieser Anstieg doch mit einer abnehmenden Dynamik der Weltkonjunktur einher. Erinnerungen würden wach an die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts, als hohe Inflationsraten und eine stagnierende Wirtschaft zusammengetroffen seien und der Begriff Stagflation geprägt worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt sei Inflation stets als eine Folgeerscheinung hohen Wachstums gesehen worden.
Tatsächlich würden steigende Rohstoffpreise eine Parallele zwischen der Situation in den 70er Jahren und der Lage der Weltwirtschaft heute darstellen. Aber es gebe auch große Unterschiede. In den 70er Jahren habe die OPEC den Ölpreis als politische Waffe benutzt. Den arabischen Ländern sei es damals gelungen, den Preis für ihr schwarzes Gold schnell und sehr deutlich zu erhöhen. Das habe sich negativ auf die Kaufkraft der Konsumenten in den Industrieländern ausgewirkt. Die Gewerkschaften hätten versucht, diesen Kaufkraftverlust durch Lohnerhöhungen auszugleichen.
Für die Geldpolitik sollte dies eine Lehre sein: Die Folgen von Veränderungen der relativen Preise könnten nicht durch die Geldpolitik verhindert werden. Inflation sei ein ausschließlich monetäres Phänomen und nur darauf könnten die Notenbanken über die Steuerung der Geldmenge Einfluss nehmen. Der Anstieg der Rohstoffpreise sei jedoch kein monetäres Problem, sondern die Folge realer Veränderungen von Angebot und Nachfrage.
Der kräftige Anstieg der Rohstoffpreise habe große Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Für die Unternehmen bedeute dies steigende Kosten und daher Druck auf die Gewinnmargen, für die Haushalte bedeute es eine Erosion der Reallöhne. Steigende Inflationsraten würden zeigen, dass die Unternehmen in jüngster Vergangenheit einen Teil der steigenden Rohstoffpreise an die Verbraucher hätten weitergeben können. Doch der Spielraum für Preiserhöhungen dürfte insgesamt begrenzt sein. Dafür würden vor allem die umfangreichen Produktionskapazitäten in den Emerging Markets sorgen, die in den letzten Jahren aufgebaut worden seien. Der Wettbewerb sei hoch und das halte die Preisentwicklung unter Kontrolle.
Dafür spreche auch, dass in den asiatischen Emerging Markets die Konsumentenpreise nach Abzug von Nahrung und Energie in den letzten Monaten nur um rund zwei Prozent gestiegen seien. Die asiatischen Emerging Markets würden der Weltwirtschaft disinflationäre Impulse geben. Das gelte vor allem für Länder, die eine schnelle Aufwertung ihrer eigenen Währungen verhindern würden. Die Regierungen würden den Zufluss von Auslandsgeldern bremsen und damit den Aufwertungsdruck vermindern und gleichzeitig den Konsum und damit das Wachstum stimulieren wollen. Längerfristig dürften die Aktienmärkte, die in Asien kräftig eingebrochen seien, von den niedrigen Zinsen profitieren.
Eine Stagflation der Weltwirtschaft würden derzeit viele Ökonomen für unwahrscheinlich halten. Nicht wenige von ihnen würden sogar warnen, dass die steigenden Rohstoffpreise längerfristig eine deflationäre Wirkung entfalten könnten. Schließlich stelle diese Entwicklung in den USA und in Europa eine Belastung für die Privathaushalte dar. Im Gegensatz zu den 70er Jahren sei das Potenzial für Lohnsteigerungen als Ausgleich für den Rohstoffpreisanstieg begrenzt. Zweitrundeneffekte seien damit unwahrscheinlich. Die Globalisierung habe die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer in den Industrieländern und auch die Macht der Gewerkschaften geschwächt.
Die Kombination aus schrumpfender Kaufkraft der Privathaushalte, steigenden Kreditausfällen und restriktiveren Kreditvergaben der Banken seien Belastungsfaktoren, die zu einer deflationären Krise führen könnten. Das erkläre, warum die US-Notenbank auf die Krise im Finanzsystem mit aggressiven Zinssenkungen reagiert habe. Sie sehe die Gefahr einer Schrumpfung der Geldmenge, wie sie in der Weltwirtschaftskrise vor mehr als 75 Jahren stattgefunden habe. Zudem habe Bernanke die US-Regierung gemahnt, dass sie mit fiskalischen Impulsen die Wirtschaft noch breiter stützen könne. Solange die Risikoaversion anhalte, bleibe die Gefahr bestehen, dass sich das Geldmengenwachstum kräftig abschwäche. Doch das habe auch positive Folgen für die Realwirtschaft: Die Inflation dürfte sich zurückbilden.
(16.04.2008/ac/a/m)
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